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2025.06.05. - Obdachlose in der Klimakrise: Hitze vor der Tür

2025.06.05. - Obdachlose in der Klimakrise: Hitze vor der Tür

Guten Tag,

der Beitrag Obdachlose in der Klimakrise: Hitze vor der Tür - Obdachlose leiden besonders unter der Klimakrise von Sarah Yolanda Koss am 03.06.2025 im Neuen Deutschland ist ziemlich genau so, wie wir uns den idealerweise vorstellen.

Drei Menschen mit Wohnungslosigkeitserfahrung aus dem Netzwerk der Wohnungslosen_Stiftung kommen zu Wort - an prominenter Stelle am Anfang und am Ende - sie werden nicht als "Betroffene" etikettiert, sondern nach ihren Einschätzungen und Schlussfolgerungen und Forderungen gefragt. Und was das schönste ist: ein markiges Statement sorgt dafür, dass die Marke "Wohnungslosen_Stiftung" in Erinnerung bleibt.

»Natürlich ist es in der Gefrierabteilung von Kaufland auch bei extremer Hitze kühl und da könnte man hingehen, aber das ist kein Konzept.«

Hartmut Nölling - Wohnungslosen_Stiftung

 Für alle, die diesen Beitrag verpasst haben, hier noch mal der Link.

hitze strasse - Foto: MAGO/Michael GstettenbauerObdachlose in der Klimakrise: Hitze vor der Tür - Obdachlose leiden besonders unter der Klimakrise

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191665.obdachlosigkeit-obdachlose-in-der-klimakrise-hitze-vor-der-tuer.html

Die Geschichte hatte einen Vorlauf. Fünf Tage vorher meldete Sich Sarah Yalander Koss bei uns mit konkreten Fragen, die gemeinsam vom Hartmut, Swen und Manja beantwortet wurden. Wer das Gespräch nochmal ausführlich nachlesen möchte, kann es nachstehend tun. Danke an alle Beteiligten und

solidarische Grüße,

Stefan

PS: Schon mal vormerken: Am 11. September 2025 findet erneut der bundesweite Tag der wohnungslosen Menschen statt. Es ist der Tag der wohnungslosen Menschen und nicht der Wohnungslosenhilfe. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.

Fotonachweis: MAGO/Michael Gstettenbauer im ND-Artikel


Hitzeschutz ist Überlebensschutz – auch für wohnungslose Menschenrecht

Die Wohnungslosen_Stiftung wurde zum Thema Klimawandel und Hitzschutz befragt. Am Gespräch dazu haben teilgenommen Swen Huchatz von der Gruppe Randnotiz aus Hildesheim, Manja Starke vom Frauen*Salon in Heimbach und Hartmut Nölling, der sich gegenwärtig in der Nähe von Rastatt aufhält. Swen und Manja sind wohnungslosigkeitserfahren, Hartmut ist aktuell draußen. Das Gespräch wurde per Zoom und per Email geführt.

Macht sich der Temperaturwandel auf der Straße in den letzten Jahren bemerkbar? Wenn ja, inwiefern?

Swen: Ja, der Temperaturwandel macht sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass sich die versiegelten Innenstädte aufheizen und das hat für Menschen ohne Wohnungen zur Folge, dass andere Orte außerhalb der Stadtzentren gesucht werden müssen.
Das bedeutet, dass Menschen ohne Wohnungen, die nicht mobil sind und deshalb sehr große Barrieren haben, nicht mal eben Tagestreffs aufsuchen können, die meistens in den Innenstädten oder in Bahnhofsnähe gelegen sind. Die zunehmende Verdrängung aus den öffentlichen Räumen und auch von Bahnhöfen trägt dazu bei, dass massive gesundheitliche Probleme auftreten.
Die zunehmende Ökonomisierung der Wohnungslosenhilfe und der Obdachlosenhilfe macht Räume und Ort unerreichbar, weil wegen Kosteneinsparungen, trotz erhöhtem Bedarf keine zusätzlichen Räume geschaffen werden und es keine zusätzlichen Öffnungszeiten gibt. An Wochenenden gibt es vielerorts kaum Dusch- und Waschmöglichkeiten!

Manja: Wohnungslosigkeit bedeutet im Sommer nicht Freiheit unter freiem Himmel, sondern ein täglicher Überlebenskampf in der Hitze. Für Menschen ohne eigene Wohnung gibt es kaum Rückzugsorte: Kein Schatten, kein kühler Raum, oft nicht einmal Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Hartmut: Wer 365 Tage im Jahr draußen ist, merkt ganz genau, dass der Klimawandel statt findet. Menschen, die draußen sind, versuchen wie alle anderen auch, der größten Hitze zu entgehen, einen schattigen Platz zu finden, eine Pause zu machen. Obdachlose Menschen in den Großstädten können der Hitze kaum entgehen, da sich die Stadt enorm aufheizt und es kaum Rückzugsräume gibt. Natürlich ist es in der Gefrierabteilung von Kaufland auch bei extremer Hitze kühl und da könnte man hingehen, aber das ist kein Konzept. Im Winter ist ein Konzept da, dass Einrichtungen länger aufhaben, aber bei extremer Hitze gibt es sowas fast gar nicht.

Inwiefern sind Obdachlose und Wohnungslose unterschiedlich von Hitze betroffen?

Hartmut: In einer eigenen Wohnung kann man schon einiges machen – Lüften, Vorhänge zuziehen, Jalousien runter lassen, Durchzug machen, Ventilatoren laufen lassen, feuchte Tücher aufhängen. Eine zwangsgemeinschaftliche Unterbringung ist aber kein wohnlicher Platz. Deswegen gehen die, die es können, raus in die Natur und suchen dort Schatten und kühle Orte.

Swen: Die wohnungslosen Menschen haben meistens in engen, schlecht durchlüfteten Räumen - meist Mehrbettzimmer- nicht die Möglichkeiten sich zu erholen. Das hat auch zusätzliche gesundheitliche Auswirkungen.
Obdachlose Menschen versuchen vergeblich, kühlere Orte zu finden und werden meistens aus klimatisierten Räumen verdrängt und verjagt. In Bahnhöfen und Einkaufszentren werden sie durch Sicherheitsmitarbeiter*innen/ Security belästigt, die das Hausrecht gestört sehen und Menschen wegschicken.

Hartmut: Bei extremer Hitze ist Betteln ist auch schwieriger. Ein Vorteil ist, dass mehr getrunken wird – und wer die Plätze kennt, hat als Pfandflaschensammler bessere Chancen. Es gibt auch Menschen, die sind gut ausgerüstet mit Greifern usw. Der Pfand von Glas sollte erhöht werden. Lebensmittel verderben in der Hitze extrem schnell. Menschen auf der Straße haben keinen Zugang zu einem Kühlschrank und keine Chance etwas länger zu lagern. Kühltaschen ausgeben wäre eine Möglichkeit, Sachen zu kühlen.

Manja: Hitze trifft besonders die, die sowieso schon gesundheitlich vorbelastet sind, durch chronische Erkrankungen, Psychopharmaka oder Mangelernährung. Menschen auf der Straße haben keine Chance, sich ausreichend zu erholen oder zu schützen. Viele nehmen Medikamente, bei denen Überhitzung gefährlich werden kann. Sonnenstiche, Kreislaufzusammenbrüche und Dehydrierung sind keine Ausnahmen, sondern Alltag im Sommer.

Gibt es Regionen/Orte in Deutschland, wo der Hitzeschutz erfahrungsgemäß sehr gut oder sehr schlecht durchgeführt wird?

Swen: Ja, es gibt tatsächlich mehrere Orte und Städte in Deutschland, in denen es tatsächlich gar keine Schutzräume gibt. Das gilt für Hildesheim / Niedersachsen ganz besonders, denn hier gibt es weder bei extremer Kälte noch bei extremer Hitze ein funktionierendes Konzept bzw. Schutzräume, die aufgesucht werden könnten. Die Stadt Hildesheim drängt die Menschen ohne Wohnungen in die völlig überfüllten Notunterkünfte, in denen es nur Mehrbettzimmer gibt, die maximal 15 m2 klein sind. An Wochenenden oder Feiertagen sind die Tagestreffs, die zur Abkühlung oder Körperhygiene genutzt werden könnten, durchgehend geschlossen. Dazu gab es von meiner Gruppe Randnotiz in Hildesheim mehrere Beschwerden und Forderungen, die bis heute nicht umgesetzt werden.

Manja: Hitzeschutz für wohnungslose Menschen ist in vielen Städten kein Thema. Es fehlt an Wasserstellen, an Schattenspendern, an niedrigschwelliger medizinischer Hilfe. Während für andere Bevölkerungsgruppen Notfallpläne entwickelt werden, bleibt die Lebensrealität wohnungsloser Menschen oft außen vor.

Hartmut: Es gibt es zu wenig Konzepte- da wird sich im großen und ganzen noch keine Gedanken darum gemacht. Es gibt einige wenige Einrichtungen, in den kostenlose Getränke zur Verfügung gestellt werden. Sonnencreme und Mückenspray wäre ebenfalls wünschenswert. In den Städten wird das Grün vielfach weg gemacht – dabei bräuchte es gerade dort mehr Plätze die Schatten spenden.

Welche Maßnahmen machen einen guten Hitzeschutz aus, welche wären wünschenswert, werden aber noch nicht umgesetzt?

Hartmut: Es gibt nicht einmal überall kostenlosen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wasserspender für die Allgemeinheit gibt es nur an einigen wenigen Stellen. Ein Bewusstsein für Vorsorge ist noch wenig in den Köpfen.

Swen: Das Einzige was tatsächlich helfen würde und auch tatsächlich nachhaltig wäre, weil sofort Kosten und Folgekosten der Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit wegfallen ist die Schaffung von Wohnraum und gleichwertige Angebote für tatsächlich alle Menschen ohne Wohnung. Alles andere trägt dazu bei, dass Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit bestehen bleiben und die Folgekosten getätigt werden müssen. 

Manja: Wir vom Netzwerk der Wohnungslosen_Stiftung fordern:

  • einen flächendeckenden Zugang zu Trinkwasser rund um die Uhr
  • öffentliche Hitzeschutzräume, die auch tagsüber offen sind
  • mobile Hilfe mit Wasser, Sonnencreme und Erstversorgung
  • die Einbindung wohnungsloser Menschen in kommunale Krisenstrategien.

Hitzeschutz darf kein Luxus sein. Es geht um Würde, um Gesundheit – und ums Überleben.

Aufgeschrieben von Stefan Schneider, Berlin - Wohnungslosen_Stiftung

 

 

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Stefan Schneider / Wohnungslosen_Stiftung
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